Rede der Vorsitzenden der Arche Kammermusik anlässlich der
Stifterratversammlung der Musikbad Pyrmont Kulturstiftung am
13.4.2023
Dank an Titus! Dank an die Sponsoren, auch an die mit
weniger als 2000,- Euro, wir denken an 2003 und die Teuerungsrate nach der
Einführung des Euro, da war jede Spende viel Geld.
Musikbad
Die arche wurde 1952 gegründet, von Hans Seutemann und
anderen bildenden Künstlern, aber auch vom Pianisten Manfred Heutling. Und von Christian
Zetzsche. Christian Zetzsche, damals stellvertretender Bürgermeister, spielte selbst
Geige und wollte nach dem Krieg dafür Sorge tragen, dass Künstler, Musiker
wieder in Bad Pyrmont auftreten. Im Konzerthaus. Einem der wenigen großen
Konzert-Häuser in Niedersachsen, das nicht im Krieg zerstört wurde, weil
Pyrmont als Lazarettstadt nicht bombardiert werden durfte.
Arche als Heimat für heimatlose Künstler, als Ort der
Sicherheit, zum Auftreten vor Publikum.
Christian Zetzsche war mein Großonkel. Das Heutling Quartett
waren seine besten Freunde. Sein Schwiegersohn wurde Prof Hans-Ludwig Feldgen.
Feldgen hatte Christa Zetzsche beim Musik-Studium in Detmold kennengelernt und
war mit ihr nach Berlin gegangen. Prof Hans-Ludwig Feldgen war in seinem
Berufsleben Chef-Tonmeister, Orchester-Redakteur und Leiter der Hauptabteilung
Musik beim Sender Freies Berlin. Er arbeitete zusammen mit Herbert von Karajan,
den Berliner Philharmonikern und vielen anderen. Er schuf den Studiengang des
Tonmeisters in Berlin. Feldgen war „eine der führenden Rundfunkpersönlichkeiten
seiner Zeit.“ Nachzulesen auf der Seite der Universität der Künste Berlin
Sein Beruf hatte immer auch Auswirkungen auf das Haus im
Vogelreichsweg und damit die Musik in Bad Pyrmont.
Musikbad bedeutet im Namen der Stiftung auch das Erbe von
Barbara Rau, Violindozentin und Konzertmeisterin. Die Besucher des arche
Konzertes vor Weihnachten erinnern sich sicherlich, dass Johannes Krampen vom
Unterricht bei Frau Rau erzählt hat, wie viele seiner Mitschüler aus ihrem
Unterricht er heute bundesweit spielen hört.
Musikbad- das Staatsbad hatte einen Musikdirektor. Einen
Generalmusikdirektor: Walter Stöver holte die Dresdner Philharmoniker nach
Pyrmont in der Spielzeit 1929/1930, um während der Saison ein fantastisches
Musikerlebnis bieten zu können. Er dirigierte selbst! 20 Stücke hintereinander
weg spielten die Philharmoniker in einem Auftritt. Quelle: Konzertarchiv der
Dresdner Philharmonie. Finden Sie hier in Pyrmont Erinnerungen daran? Nein.
1946 schon gründete Generalmusikdirektor Walter Stöver aus
den vielen nach dem Krieg versprengten, heimatlosen Orchestern in Bad Pyrmont
ein Neues Sinfonieorchester. Der Klarinettist Franz Hammerla, der Cellist Richard
Falb und er waren der Antrieb für dieses neue Orchester, „Die Nordwestdeutsche
Philharmonie“.
Das fantastische Musikerlebnis für die Kurgäste in der
Saison, und ein Einkommen für die Musiker über die Sommerzeit, in der sonst
wenig Engagements zu bekommen waren, das war Stövers Werk. Wir erinnern uns,
Saison hieß von Ostern bis zum Goldenen Sonntag.
Nach der Währungsreform zog sich das Land Niedersachsen aus
der Finanzierung zurück, die haben lieber das Niedersächsische
Sinfonieorchester gegründet und ließen die Orchester in Pyrmont und Herford im
Regen stehen. Wir sehen also, das Land Niedersachsen sorgte schon immer gerne
für seinen Parlamentssitz Hannover.
Mario Traversa ist ein Kapitel für sich. Ich kann mich noch
gut an die Tage erinnern, wenn er vor dem Orchester stand und die Stühle im
Kurpark nie ausreichten für die vielen Zuhörer seiner Konzerte. Warum war das
so? Die Tage in Pyrmont fühlten sich damals alle wie Sonntage an.
Mario Traversa war einer der ganz großen Caféhausgeiger. Er
wurde 1912 in Italien geboren. Er kam von der Mailänder Scala. Er war Konzertmeister
bei Toscanini. Seine Kurkonzerte waren voller Sonne, Charme und Glückseligkeit.
Das, was Kurgäste und ihre Seele zur Erholung brauchen.
Denn darum geht es in Bad Pyrmont seit 300 Jahren. Die Gäste
heranlocken mit erstklassigem Programm und ihre Körper und Seele heilen mit
erstklassiger Leistung. Medizinisch, durch den Kurpark, und vor allem durch die
Musik.
Musikbad seit 1706. Telemann, Albert Lortzing, Wilhelm
Furtwängler, Sergio Celibidache, Justus Frantz.
Musik
Das Konzerthaus also nur für Pyrmonter? So betrachtet es das Niedersächsische
Landesrechnungsamt.
Lassen Sie uns einen Vergleich anstellen:
Das Opernhaus in Hannover hat 1200 Plätze.
Das Konzerthaus hat 800 Plätze.
Das Opernhaus hat einen Einzugsradius der Region Hannover
und darüber hinaus, wird vom Land Niedersachsen so beworben und so finanziert. Vom
Land Niedersachsen.
Es gibt für Abonnenten das Angebot, Karten vor dem Start des
Vorverkaufs zu erwerben.
Schulklassen bekommen eine verbilligte Karte.
Man kann Führungen durch das Opernhaus buchen.
Führungen durch das Konzerthaus? Art Deco/ Jugendstil Bau,
Architektonisch voll im Trend. Beleuchtung von Kinkeldey. Führungen durch das
200 Jahre alte Kurtheater mit seinen Denkmalgeschützen Inneneinrichtungen? Eins
von zwei noch existierenden Theatern in Niedersachsen im Klassizistischen Stil?
Es gibt in Hannover einen Förderverein der Oper: die Gesellschaft
der Freunde des Opernhauses mit über 500 Mitgliedern. Jahresmitgliedschaft für
50 Euro.
In Bad Pyrmont gibt es einen Förderverein für das
Konzerthaus nicht.
Das Opernhaus Hannover, wenn man die Internetseite aufruft,
kommt sofort gleichzeitig die Werbung für Hotels in der Nähe.
Die Werbung ist heute der alles entscheidende Teil.
Das Konzerthaus wurde beworben auf der Seite des Staatsbades
und der BPT und Eventim. Werbung über Bad Pyrmont hinaus haben die DeWeZet und
Radio Aktiv betrieben.
Das ist räumlich weitaus begrenzter.
Das ist so, als dürfte das Opernhaus nur in Ricklingen werben.
Verantwortlich für diese Begrenzung? Dasselbe Land, nur dass sich in Hannover
gleich zwei große Konzerthäuser befinden, der Kuppelsaal mit 3600 Plätzen noch
obendrauf.
Aus Hannover kam 2018 die Nachricht, dass OB Schostok ein
weiteres Konzerthaus plante, mit 400 bis 800 Plätzen. Für die Bewerbung zur
Kulturhauptstadt Hannover. Das ist nun beides Geschichte. Aber: Braunschweig
hat am 16. Februar diesen Jahres eine Bedarfs- und Potenzialanalyse für ein
großes Konzerthaus vorgestellt, weil in deren Umgebung kein großes Konzerthaus
steht.
Was braucht das Konzerthaus an Werbung?
Die DeWeZet hat hier gut 4000 Abonnenten. Bei über 360
Besuchern der klassischen Sinfoniekonzerte bedeutet das, fast 10 Prozent der
Abonnenten sind ins Konzert gegangen. Das ist viel
Sie alle haben hoffentlich den Werbefilm gesehen, den Jörg
Schade gefunden hat. Den gibt es auch auf Spanisch, weil dieser Film über Bad
Pyrmont auf den Schiffen der Hapag Lloyd nach Brasilien gezeigt wurde.
Wo wird Werbung über Bad Pyrmont heute gezeigt? Die Pyramide
im Bahnhof Hannover mit dem Slogan „die Chance für Ihre Gesundheit“? Längst
verschwunden.
Aus den Augen aus dem Sinn.
Wir stehen vor einem Leeren Haus.
Dass es nicht mehr brummt, liegt nicht an Pyrmont. Die
Quellen sind dieselben und sprudeln - noch, der Kurpark, Dank an den
Kurdirektor, ist wunderschön. Der Unterschied ist, wie man mit Pyrmont umgeht. Und
das haben wir gerade über die Ostertage gesehen.
Die Selbstzahler in den damaligen Jahren wollten Kultur.
Heute bekommen wir die Frage gestellt, was denn Kultur ist? Was ist für die
Intendantin des Opernhauses Kultur?
Baden-Baden? Stellen die sich dieselben Fragen?
Lohnt sich diese Frage für Bad Pyrmont?
Für das Land Niedersachsen?
Das Konzerthaus hat 2015 die rote Flagge bekommen.
Jetzt mag die Betriebsgenehmigung erloschen sein? Was bedeutet das für das Land Niedersachsen?
Ein unverkäufliches Gebäude. Ohne Brandschutz, ohne
Parkplätze mit Photovoltaik?
Sie mögen das für eine Scherzfrage halten, aber
Niedersachsen hat am 9. November 22 sein Baurecht geändert, alles über 50 neue
Parkplätze müssen demnach mit Dach und Photovoltaik ausgestattet sein.
Damit ist das Konzerthaus, mit einem Bedarf von gut 120
Parkplätzen, die sich in der direkten Umgebung nicht herstellen lassen, ohne
Busparkplätze für Orchester oder Besucher, ohne Behindertenparkplätze,
unverkäuflich.
Dann müsste man pro Parkplatz 7000.- Euro Ablöse an die
Stadt bezahlen, hätte dann immer noch keine Parkplätze in erreichbarer Nähe und
damit keinen Interessenten.
Das Konzerthaus ist durch die Kulturpolitik des Landes
Niedersachsen zu einer unverkäuflichen Immobilie geworden. Ein heiles Konzerthaus,
mit der besten Akustik, einer der wenigen pneumatischen, frisch restaurierten
Orgel in einem Konzerthaus, eine Orgel gibt es auch in der Elfi, mit Steinway
und Blüthner Flügel. Mit Palmenbar und Goldener Kuppel.
Was bedeutet das für die Arche Kammermusik?
Nun, wir haben mit dem Spiegelsaal einen Raum von
Kurdirektor Dr. Fischer bekommen, der mit einer wunderbaren Akustik aufwartet
und damit Kammerkonzerten ein schönes Ambiente bietet.
Die arche Kammermusik war nach 70 erfolgreichen Jahren im
Konzerthaus und Kurtheater durch die Schließung auf einmal Heimatlos. Die arche
stand kurz vor der Auflösung. Nach der Schließung der beiden großen Säle des
Konzerthauses hat Pyrmont als Musikbad keine große Indoor- Spielstätte mehr. Die
arche hat seit dem Konzert mit Klavier und Klarinette im Spiegelsaal nun eine
ganze Reihe von Anfragen, ob wir wesentlich mehr Konzerte veranstalten wollen.
Viele Musiker haben Nachholbedarf und wir könnten auf Grund der riesigen Nachfrage
mehr als ein Konzert im Monat anbieten.
In Andenken an meinen Großonkel Christian Zetzsche und Hans
Feldgen, in Respekt vor meinem Musiklehrer Hans Krampen, vor Hartmut und Gisela
Kuhn, den guten Freunden meiner Mutter und meines Onkels, an Oliver Kluge und
Frank Buss und deren aufopferungsvoller Hingabe für den Verein möchte ich der
Arche viele weitere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte ermöglichen. Mit erstklassiger
Kammermusik in erstklassigem Ambiente.
Und ich mache das unter meinem Leitbild: Das Konzerthaus
muss wieder eröffnet werden.